Was wir aus der Bundeswaldinventur lernen können
20.11.2024
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20.11.2024
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Interview mit Prof. Hubert Röder zu den Ergebnissen der Bundeswaldinventur - veröffentlicht vom DEPI (Deutsches Pelletinsitute) am 13.11.2024
Kürzlich wurden die Ergebnisse der Bundeswaldinventur 4 (BWI 4) veröffentlicht. Sie bestätigen die Auswirkungen des Klimawandels auf den deutschen Wald. Im Interview erklärt Hubert Röder, Professor für Betriebswirtschaftslehre Nachwachsender Rohstoffe an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, was die Ergebnisse der BWI 4 bedeuten. Eines vorweg: Zuwachs statt Vorrat ist zukünftig die Devise.
Was bedeuten die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Bundeswaldinventur 4? Sollten wir den Wald stilllegen?
Prof. Dr. Hubert Röder: Seit 2017 ist der Wald in Deutschland zur CO2-Quelle geworden. Zugleich hat der Holzzuwachs abgenommen, der zur besseren CO2-Speicherung beitragen könnte. Beides liegt vor allem am zu hohen Anteil älterer Bäume, die den jungen Bäumen weniger Platz zum Wachsen bieten. Durch diese gibt es im Wald weniger Zuwachs und sie stehen uns bei der Verjüngung des Waldes im Weg. Statt weitere Waldflächen stillzulegen, sollten wir vor allem alte Nadelholzbestände zu klimafitten Mischwäldern umbauen. Ziel ist es den Wald zu verjüngen, damit es wieder mehr Zuwachs gibt. Dies gilt auch für reine Laubwälder. Allerdings sollten wir hier schonender vorgehen. So gleichen wir mit mehr Mischwäldern aus, dass wir Holzvorrat im Nadelwald durch den Klimawandel und den Waldumbau verlieren. Vor allem in den Laubwäldern können sogenannte Habitatbäume – also alte Bäume, die zur Sicherung der Biodiversität beitragen – bleiben. Totholz, das ebenfalls die Biodiversität in Wäldern steigert, haben wir genug. Davon müssen wir nicht noch mehr im Wald lassen!
Wie kam es zu der großen Totholzmenge?
H. Röder: Der Klimawandel hat uns bereits durch Kalamitäten wie Stürme, Trockenheit und Borkenkäfer ausreichend Totholz beschert. Mehr davon wäre unverantwortlich, da es als Brutstätte für noch mehr Borkenkäfer dient, die wiederum den Bäumen im Wald schaden. Zudem verrottet es sehr schnell und setzt dabei den Kohlenstoff frei, den es zuvor gespeichert hatte.
Wie kann der Wald wieder mehr CO2 aufnehmen?
H. Röder: Wie schon gesagt haben wir das Maximum, was der Wald aktuell an CO2 aufnehmen kann, bereits überschritten. Der Klimawandel verhindert durch große Schäden an den Bäumen einen weiteren Aufbau von Holzvorräten. Stattdessen sollten wir konsequent alte Nadelholzbestände verjüngen. Damit verringern wir die Risiken, dass wir hier noch mehr Vorrat verlieren. Gleichzeitig müssen in den kommenden Jahren die Verluste durch das Laubholz ausgeglichen werden, zu denen es beim aktiven Waldumbau zwangsläufig kommen wird. Langfristig wird dieser Ausgleich durch vitale und gemischte Jungbestände übernommen, von denen wir aktuell einfach zu wenige haben.
Wie ist der Rückgang im Holzvorrat zu erklären? Wurde zu viel Holz entnommen?
H. Röder: Ein ganz klares Nein. Die Waldnutzung ist sogar zurückgegangen. Den Vorratsverlust haben wir dem Klimawandel und der Überalterung der Wälder zu verdanken. Im gesamten Zeitraum der BWI 4 waren circa 40 Prozent der Holznutzung Schadholz. Der Klimawandel hat uns also beim Umbau der Wälder rechts und links überholt. Wir müssen schnell aktiver werden, um wieder die Oberhand beim Klimaschutz im Wald zu gewinnen. Das bedeutet konkret: Wir brauchen mehr aktiven Waldumbau!
Ist die Nutzung von Holz – stofflich und energetisch – trotz Rückgang des Vorrats sinnvoll?
H. Röder: Wir haben keine andere Wahl: Wir müssen mehr Holz nutzen, um unseren Wald klimafit zu machen. Das ist eine Aufgabe für die nächsten 30 Jahre, mindestens! Nur wenn uns das gelingt, stehen die Chancen gut, dass wir keine weiteren Verluste beim Holzvorrat zu befürchten haben. Und entscheidend für den Erfolg ist die sinnvolle Nutzung von Holz, z.B. in Form von Häusern und Möbeln, was einen langfristigen CO2-Speicher darstellt. Es muss also deutlich mehr Holz stofflich genutzt werden. Mit dem Restholz, das hierbei zwangsläufig bei der Ernte und im Sägewerk anfällt, können wir dann auch klimafreundlich heizen, da wir fossile Brennstoffe ersetzen und das entstehende CO2 gleich wieder im nachhaltig bewirtschafteten Wald gebunden wird: Eine perfekte Kreislaufwirtschaft als Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs.
Zusammenfassend: Was sind die drei wichtigsten Schlüsse, die Sie aus der BWI 4 ziehen können und was sollte jetzt umgesetzt werden? H. Röder: Auf drei kann ich mich nicht festlegen, aber hier wären die fünf wichtigsten Punkte, die jeder aus den Ergebnissen der BWI 4 mitnehmen sollte:
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Zuwachs statt Vorrat! In Zeiten des Klimawandels ist es nicht erfolgversprechend, auf noch mehr Vorrat im Wald zu hoffen. Dazu sind die Schäden zu groß. Stattdessen brauchen wir mehr Zuwachs.
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Proaktiver Waldumbau in den nächsten 30 Jahren: Von riskanten Altbeständen, vor allem im Nadelholz, hin zu jungen dynamisch wachsenden und klimafitten Mischwäldern. Nur so können wir den notwendigen Vorratsverlust bei Nadelwäldern ausgleichen und die Leistungen des Ökosystems erhalten, die uns der Wald sonst noch bietet.
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Mehr Holzbau, um CO2 zu speichern und Holzenergie als Ersatz für fossile Brennstoffe zum Heizen. Hierzu haben wir genügend Holz – sowohl jetzt als auch in Zukunft. Die Versorgung ist langfristig durch die Jungbestände gesichert.
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Langfristig brauchen wir eine Verwendung von Laubholz in langlebigen Produkten. Da passiert viel in der Forschung und ich erwarte mir einige Innovationen im Zeitraum der nächsten 30 Jahre. Dann erreichen wir auch die optimale Klimaschutzwirkung des Waldes: Als CO2-Pumpe zur Dekarbonisierung der Atmosphäre und beim Aufbau eines zweiten Kohlenstoffspeichers im Gebäudesektor. Und dabei fällt genügend Holz zur energetischen Verwendung an.
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Im Energiesektor sollten wir uns verstärkt um die Defossilisierung kümmern und hierbei kann Holz als nachhaltige Wärmequelle einen wichtigen Beitrag leisten. Der Wald ist ein Multitalent. Wir müssen nur lernen, ihn sinnvoll zu nutzen für mehr Klimaschutz, Biodiversität und ein besseres Leben für die Menschen. Getreu nach dem Motto: Nachhaltig nutzen, was wir schützen!
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